AUFBRUCH (CD) (Yuli 2012)
Die CD "Aufbruch" kommt als digipack in einem warmen Rot daher. Darauf zu sehen: schattierte fliegende Vögel, die sich alle in die gleiche Richtung bewegen. Im Inneren dann ein kleiner einleitender Text, ein paar Grüße und der übliche Schnickschnack. Leider kein booklet zum Stöbern und keine Texte zum Nachlesen. Das aber würde dem Tonträger von Pirr und Max gut stehen, denn ich habe tatsächlich Schwierigkeiten, alles gut zu verstehen. Aber der Reihe nach.
Es geht los mit dem Titeltrack "Aufbruch", der erstmal klingt wie "Venus" von Shocking Blue, einer holländischen Band, die es von 1967 bis 1974 gab. "...Auf die Strasse, die Erinnerung im Gepäck, mach' ich mich auf zum Horizont..." Der Track beschreibt die Sehnsucht nach Klarheit, Weg und Ziel. So, wie ich die beiden Yungs kennengelernt habe, steckt da auch das Gefühl drin, in einer neuen Community angekommen zu sein, die sich zur Zeit aus dem Dunstkreis RAK (rotzfreche Asphaltkultur) zusammensetzt. Hier sind sie seit knapp 2 Yahren aktiv dabei und gern gesehen. So ist der Fahrtwind einer inhaltlichen Kultur, die gern unplugged unterwegs ist, von Anfang an deutlich zu spüren. Ich erinnere mich selbst gern an die Zeit meiner ersten RAK-Treffen. Das war 1985 und ich weiß noch genau, wie es sich anfühlte,...nämlich wie "Aufbruch", also genau wie dieser erste Song, den das Duo vermutlich sehr bewußt an den Anfang dieser CD gesetzt hat. Danach wird erstmal einen Gang runtergeschaltet. Das Stück "l'artiste" fängt ruhig an. Akustic-Bass und Gitarre nehmen sich die Rhythmik und die Zeit, die der Song braucht, um die traurige Stimmung aufzubauen. Das gelingt schön. Und dann avanciert die Sprache von deutsch nach französisch und wird plötzlich zweistimmig (toll: Annika / Gastsängerin). Das ist ganz großes Kino für die Ohren und ich sitze überrascht mittendrin in einer wundersamen Schublade namens Weltmusik. Das Stück sticht heraus durch die Melancholie ("...du bist doch Künstlerin, dann mal mir Leben auf die Brust...") und die Dynamik. Gänsehaut! Das nächste Lied bahnt sich ein wenig ruppiger seinen Weg. Das Thema begegnet uns in einer anderen Facette in Track 7 nochmal. Es geht grob darum, "die Rebellin" in sich nicht sterben zu lassen, sie zu behüten, sie gut zu behandeln. Ein guter und richtiger Gedanke natürlich. Bei Track 7 allerdings ("alt und senil"), bei dem ich ein bißchen Quetsche dazu eingespielt habe, kommt das später in einem sehr pathetischen Gewandt nochmals angewackelt. Da wehen die schwarzroten Fahnen mächtig und gekämpft wird bis zum Tod (am liebsten...). Das ist eigentlich gar nicht so der Stil von "Wonach wir suchen", aber hier tun sie einfach mal so, als hätten sie schon ein Yahrzehnt mehr auf dem Puckel. Das ist alles nicht wirklich schlimm und scheisse, aber dennoch irritierend. Auch Konny hat mal was ähnliches gemacht in seinem Song "B-Haus". "Alt und senil" yedenfalls ist (für mich) eines der schwächeren Stücke auf diesem Silberling. Apropo Pathos:"...ihr habt längst vergessen, wie man Liebe buchstabiert..." heisst es im nächsten Text. Das ist auch dick aufgetragen, geht aber in Ordnung für mich durch den Dreck, mit dem die beiden in Leipzig wohnenden Muckebanditen da ansonsten um sich schmeißen, Auch musikalisch schick, die Basslinie z.B. . Das Lied endet dann relativ überraschend, als wäre es nicht wirklich fertig geschrieben worden. Und dann kommt "Eileen". Da ist vom Staat die Rede und da kommt so'n cooler Satz drin vor wie "...unsere Sonne, die scheint nicht für dich (den Staat)..." Das ist sehr hübsch, denn wieviele Gruppen quälen sich da rum mit ungelenken Formulierungen wie "Scheiss-Staat" oder ähnlichem. Ich weiß ya selbst, wie schwer es ist, einen halbwegs intelligenten Satz zu formen, indem Haltung, Wut und Witz ihren Ausdruck finden. Das ist hier mal ausgezeichnet gelungen. Das gleiche gilt für die schnell und souverän gespielte Gitarre in den parts, in denen der Gesang pausiert. Der Song selbst weiß zwar eher nicht, wo er hin will, aber das tut dem ganzen keinen Abbruch.
Und weiter gehts mit dem Schmuckstück "bitte bleib". Gitarre hackt schön tight rum auf der Betonung der "1", dazu die schöne Idee "...bitte bleib........mir fern", dann dazu wiederum eine liebeskummerige Mundharmonika und ein ganz fordernder und intensiver Gesang, der interessanterweise durch die Mundharmonika hindurch eingesungen wurde (schöner Effekt!) Sehr sehr guter Song, krasse Liebeskummergeschichte, aber wird dir helfen, wenn du selber in so einer Situation bist, weil du sie laut mitgröhlen kannst! Dieses Stück ist meine absolute Empfehlung.
Dann Track 7, wie schon erwähnt, okay...hatten wir schon. Track 8 ist ein neues Stück zum Thema "Luxus"...Kommt mir inhaltlich bekannt vor von ihrer ersten CD. Da hiess es "...doch bei eurem Luxusscheiss, da kotz ich gleich..." Der Song hier, der den Titel "her damit" trägt, ist flott und rotzig, auch schnell, aber auch schnell wieder vorbei. Überhaupt, und das zieht sich durch, hier ist kein Song länger als nötig. Alles durchgängig kurz und prägnant, was dazu führt, daß wir es insgesamt nur mit einer guten halben Stunde Musik zu tun haben. Finde ich okay, denn ich mag auch keine Songs mit ewig langen Texten, die nicht auf den Punkt kommen. Pirr und Max übertreiben es fast ein bißchen in die andere Richtung. Weil die Songs nämlich so kurz sind, ist manchmal gar kein Platz, um auf den Punkt zu kommen...Zwei Stücke fehlen aber noch in meiner Besprechung. Als vorletzter Song kommt "unterwegs", ein Audio-roadmovie, musikalisch klasse arrangiert, eingängig und kompakt. So habe ich das gerne. Die Stimme wieder tragend und klagend, mich übrigens auch immer wieder erinnernd an den ganz frühen Westernhagen (den ich damals in den 80ern übrigens sehr cool fand /"Theo gegen den Rest der Welt" z.B.) Der Vergleich sagt allerdings auch nix, da mir bekannt ist, daß Pirr mit seinem Gesang niemandem nacheifern will. So klingt es also nach Pirr 2012, wer kennt auch schon Westernhagen 1980?? Als letzten Track auf dieser CD haben sich die beiden Sitzmusiker Max und Pirr "was und wieviel" aufgehoben. Auch wieder so ein Melancholied, welches sich das klassische Bild der sozialen Kälte heranzieht, um gesellschaftliche Mißstände zu beschreiben. Das ganze passiert hier anhand von Hans und es endet dramatisch. Das ist kein Song, der die Platte gut abschließt, aber so ist das Leben, es ist halt lange offen, und danach kommt nix mehr. Auch kein hidden.track oder ähnliches. Mir gefällt, was "wonach wir suchen" hier aufgenommen haben. Mir gefällt es, weil es hier etwas dynamischer und entschlossener zu Werke geht als bei manch anderer RAK-Gruppe. Der "Hippiefaktor" ist klein, eine sympathische wilde straightness überdeckt das meist. Textlich inhaltlich wird sich auf das beschränkt, was gerade bewegt und dieses Feld beackern die beiden leidenschaftlich. Daß es so "Wort-Darlings" bzw. Bilder gibt, die sich wiederholen, wie z.B. Wolken, Horizonte, Strassen, das Malen und "etwas in Kauf nehmen", fällt auf, aber nicht ins Gewicht. Ich finde, daß die Platte rockt und gut durchläuft. Und an einigen Punkten wirds tief und fühlig. Gute Mischung, die übrigens auch live funktioniert und mitreißt, wie ich auf der release-Party erleben konnte.