POCKETPUNK
zurück

WIE ANTENNEN IN DEN HIMMEL

Die neue CD von Mogli, Anke und Hannah kommt wie erwartet melancholisch und langsam daher. Was anderes kennen wir von den dreien auch nicht, yedenfalls nicht auf CD. Wer sie kennt, weiß dennoch, daß sie außerhalb ihrer Instrumente, der Bühne und den Auftritten gerne lachen, ausgelassen sind, aber das findet im Rahmen ihrer Musik höchstens live und selbst da nur sehr reduziert statt. Macht nix, sage ich, die CD ist konsequent schwermütig und das soll so und das kann so.

Das booklet knüpft optisch da an, wo ihr letztes Plakat aufgehört hat: Silhouetten einer Großstadt, skyline der Trostlosigkeit und gleichzeitig offenbar die Faszination, daß dort drinnen Leben möglich ist. Und genau darum scheint es zu gehen in vielen Texten und in der Musik. Stets mit dem Unterton der Nachdenklichkeit wird beschrieben, was uns umgibt. Dieses Bild fällt dunkel aus und ist ständig verknüpft mit der Suche nach dem Weg hinaus. Die Antennen, die in den Himmel ragen, sind eine sehr treffende und gelungene Symbolik für diesen Blick auf die Welt. Diese Symbolik zieht sich visuell durch das komplette booklet.

Der Kampf beginnt bei Früchte des Zorns nicht erst dort, wo eine/r/m auf der Straße Nazis gegenüber stehen, sondern er ist grundsätzlicher. "Auf welchem Boden haften meine Schritte?" und "Wo geht's lang, geradeaus oder nach vorn" sind die Eingangsfragen, die sie sich und anderen im ersten Song stellen. Im Track 9 (Kompass) wird darauf eine vorsichtige Antwort gegeben: "Mein Herz ist meine Karte und mein Wille ist mein Kompass". Drei Tracks später ist das Herz zusätzlich noch der "Muskel in der Größe einer Faust". Dieser alte "Hit", der auch schon auf Vinyl erschienen ist, fasst wohl am Besten zusammen, worum es bei FDZ immer wieder gehen soll, nämlich um die eigene Initiative, den Willen, das Wollen, zusammen mit anderen, die Dinge zu verändern, weg vom Trott, dem Eingeschnürt sein, hin zu Individualität und Freiheit, die alle erleben können. Aber auch der ausgiebige Blick auf die eigene Geschichte, das eigene Befinden, der aufwühlende Blick nach innen gehört bei FDZ ganz selbstverständlich dazu. Die Songs erreichen darüber eine eindringliche Tiefe und Emotionalität, die oft ungewohnt und manchmal schwer auszuhalten sind. Nichts von dem, was in den Texten verhandelt wird, scheint banal. "Ein leerer Schmerz im Körper, organisierte Langeweile, das Herz pumpt....das ist kein Leben - nein, das ist Luftholen vom Aufstehen bis zum Schlaf..." Hier hagelt es Bilder, die du auf yeden Fall abbekommst, wenn du aufmerksam zuhörst. Meine ganz persönliche Strategie, das auszuhalten, ist: Ich dosiere Früchte des Zorns in kleinere Portionen, alles andere wird mir zu viel. Live gehe ich mir nach ein paar Stücken entsprechend mal ein Bier holen, damit mich nicht das volle Programm erwischt. Das ist keine Kritik, sondern beschreibt lediglich, wie inhalts- und gefühlsreich die Lieder sind und genau das erfordert einen Umgang, den yede Zuhörerin, yeder Zuhörer für sich herausfinden muß...oder um es mit den Worten von Mogli zu sagen: "Es gibt tausend Wege, finde deinen". Das bezieht sich in dem Lied "Schlag zurück" zwar auf eine ganz andere Problematik, passt hier aber trotzdem. Es kann aber auch passieren, daß dich ein einzelner Song wegbläst auf eine intensive Art und Weise...Ich stelle das nur fest und bewerte es nicht. Zusammen mit den musikalischen Mitteln wirkt das oft heftig auf mich. Da sind die Stellen, wo auch mal alle drei Stimmen eingesetzt werden in "Passt aufeinander auf", da zieht die Posaune ihre Kreise in meinem persönlichen favorite "Nadelregen" oder in dem schon erwähnten "Schlag zurück" tackert Hannah mit großer Präzision und gewohnter Zurückhaltung ihre Sticks auf den Rand der Snare. Das unterstreicht den Ausdruck des Songs ähnlich wie die fast schon wütende Geige. Beides klingt in meinen Ohren "soft-aggro" und auch das paßt, weil sich im Text die Wut über die Zustände und der Entschluß, sich zu wehren mit der ausgesprochenen und damit zusammenhängenden Angst paart. Eine große und wichtige Nummer auf der CD ist zweifelsohne auch der Track "Mein schönstes Kleid". Er beschreibt den offenen Wunsch, sich angstfrei bewegen zu wollen...in diesem Fall als Mann in einem Kleid. So ein "Bekenntnis" ist selbst in der linken Szene ya keine Selbstverständlichkeit. Wir alle kennen sexistische oder homophobe Sprüche ya nicht nur aus der U-Bahn, sondern auch von Punkkonzerten. Mir gefällt diese Unverblümtheit, die live auch immer die Gefahr in sich birgt, daß unangenehme Sprüche kommen und es zu Auseinandersetzungen kommt. Dazu gehört auch Mut und das verdient Respekt und es ist gut, daß Früchte des Zorns sich an manchen Punkten so klar äußern. An manch anderer Stelle vermisse ich diese Klarheit, vermisse ich die politische Verflechtung ihrer Texte mit konkreteren Geschehnissen der Gegenwart. Auch das viel beschriebene "Aufbegehren" würde ich an manchen Stellen stimmungsmäßig gerne auch mal deutlich hören...Das schreit nach mindestens 7,5% mehr "Punkrockfaktor", aber wie sagte ich eingangs selbst: "...die CD ist konsequent schwermütig und das soll so und das kann so..." Summasummarum eine großartige CD für alle die, die es ruhiger mögen und ihren Kopf auch beim Hören gerne bewegen, nicht im Sinne von headbangen, sonder im Sinne von "sortieren, assoziieren, interpretieren und entdecken". Und auch mein ganz persönliches Humorbedürfnis wurde unfreiwillig von der Gruppe befriedigt in dem Lied "Koffer voller Fragen", wo es plötzlich heißt: "Menschen steh'n im Kaffee..." Auch das habe ich mir bildlich vorgestellt und na klar mußte ich schmunzeln. Danke euch auch dafür! Yok, 10.7.2007

nach oben