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HERR VERNÜNFTIG BENIMMT SICH DANEBEN - KONNY (CD 2012 / ab-dafuer-records))

"Wenn ich nur mach', was ich schon kann, ey, da gehört doch nix dazu..."

Konnys release-Konzert in der Köpi liegt schon wieder etwa 2 Monate zurück, glaube ich. September 2012 war das meiner Erinnerung nach. Gerade noch rechtzeitig war auch seine neue CD fertig, auf den letzten Drücker, wie Mensch so schön sagt. Als support waren unsere Freunde von "Wonach wir suchen" mit von der Partie. Die Zwei lieferten an diesem Abend aber eine eher müde Performance ab. Auch Konny hatte seine liebe Mühe, was aber wohl daran lag, dass der Sound auf der Bühne eine relative Katastrophe gewesen sein muss. Wenn du ständig Feedbacks auf den Monitoren hast, ist es schwierig, das Programm gut nach außen zu senden. Im Saal klang es leider auch nicht gut. Egal, das Konzert war halt keines der Konzerte, wo mal alles stimmte und die du dir merkst, aber darum soll es hier ya auch gar nicht gehen.

Konnys neue CD beinhaltet 17 Tracks. Die Verpackung ist diesmal etwas mehr als nur Papphülle: Eine Plastikbox mit 20-seitigem Booklet. Das Layout ist zwar sparsam, der Comic-style (von Viola) passt aber gut dazu. Ansonsten findest du alle Texte weiß auf schwarz. Konny eröffnet die CD mit einem Track, den er "Herr Vernünftig" nennt und es geht auch um diesen Herrn, den wir schon auf Konnys Plakaten bewundern durften. Herr Vernünftig scheint ein Aussteiger zu sein, der seinen Sehnsüchten folgt. Das wirkt in den Bildern, die Konny textlich und musikalisch malt, ziemlich durchgeknallt, denn Herr Vernünftig ist nicht nach Australien gereist und beginnt dort einen Neuanfang, oder hat sich vehement einer neuen Leidenschaft verschrieben, sondern er sitzt nackt und scheinbar gutgelaunt in einem Baum...und ringelnatzt vor sich hin...Also, es klingt nach Ringelnatz, aber der Text ist von Konny. Es schließt sich der "Karrieresong" an, der den stumpfen Alltagstrott und die Kämpfe mit eben diesem weiter beschreibt. Der Wunsch, „einfach raus“ zu wollen, bricht sich hier Bahn in einer ausgetüftelten und versierten Musik aus Bass (Lui) und Gitarre. Und an der Stelle "....und die ganze Lernerei ging dir so am Arsch vorbei..." versucht auch Konnys Stimme erstmals auf dieser CD einen Ausbruchsversuch. Da liegt plötzlich ein Schmirgelpapier im Gesang, das mir erzählt, dass das Gesungene auch das Erlebte zu sein scheint. Das begegnet uns in den folgenden knapp 50 Minuten öfter. Und das ist auch schon einer der Gründe, warum mich das Ganze von vorne bis hinten abholt und mitnimmt: Es scheint authentisch. Und Konny ist aber auch schon einen Schritt weiter. Die Songs sind fast durchweg musikalisch interessant und textlich an vielen Punkten "fein" ausgearbeitet ohne dabei die Ruppigkeit zu verlieren. Keine Revolutionsromantik, sondern "Revolution", so der dritte Track des Albums. Wer sich dagegen den Original-Ärzte-Song anhört, wird vor Langeweile sterben. Konny singt (im Gegensatz zu den Ärzten)in der Gegenwart und selten habe ich Zeilen gehört, die so vortrefflich das (leider selten gewordene) entschlossene Gefühl von der Straße im Zusammentreffen mit (z.B.)der Staatsgewalt beschreiben: "Du guckst mich an, dein Blick ist Wut und Feuer, wir geh'n hier lang und das wird ziemlich teuer!" Oder später:"Die komm' nicht durch, ich seh's dir an, brauchst nicht mehr lang, dann fängst du an..." Mich begeistert das, weil es auch das beschreibt was ich erlebe, erlebt habe und weil es "Lust" darauf macht, sich wieder mal was zu trauen. Absolut mitreißend. Danach packt Konny seinen Humor aus. Es ist ein Lied über Deutschtümelei und widerwärtigen Nationalismus, über den er sich aber eher lustig macht. Heftig beklatscht (die meisten Aufnahmen auf der CD wurden live mitgeschnitten) wird die Stelle, in der dazu aufgerufen wird, sich den goldenen Streifen der Deutschlandfahne zu besorgen. Konny parodiert dabei ein altes "Seemannslied", auf dessen Originaltitel ich beim besten Willen nicht komme. Das ist lustig, aber im nächsten Song wird nachgebessert. Das ist nochmal ein ähnliches Thema...mittiger Rassismus, geistige Brandstifter, Sarrazin. Hier weht aber eher die Wut als der Humor. Und dann wirds dann auch mal textlich richtig dreckig mit "...ich scheiß auf eure Grenzen und die deutsche jetzt zuerst und ich wisch mir dann den Arsch mit eurer Deutschlandfahne ab..." Das ist genau das, was rauskommt, wenn du wütend bist...da reimt sich dann auch nicht zu viel und nicht zu wenig, es ist die Wut, die in so vielen Menschen lauert...und diese Wut spricht eine Straßensprache, eine einfache Sprache. Den Rest erklärt der Text in dem Lied. Auch dieser Song ist völlig auf'n Punkt in meinen Augen. Der nachfolgende Song (Extremistensong, ...langweiliger Titel übrigens) schließt sich gut an und schließt diese wütende Stimmung auf der CD auch vorerst gut ab. Dann wird es melancholischer. "Ich hab' nicht nur sieben Sachen, auch wenn‘s einfacher wär..." (hach...) und dann ein Song darüber, wie es ist, wenn du Musik in der U-Bahn machst. Das praktiziert Konny von Zeit zu Zeit und er weiß entsprechend, wovon er singt. Ans Herz geht in diesem Song ein Erlebnis, welches er beschreibt. Eine offenbar ältere Frau hat die Securities angeschrien, als diese Konny abgeführt haben. Das hat ihm gut getan, Mut gemacht. Das sind die Momente, wo Leute einfach im richtigen Moment aus'm Bauch raus reagieren, wütend, impulsiv...vor allem lebendig, emotional. Das ist genau das, was täglich fehlt, worauf wir uns wieder mehr besinnen sollten. Natürlich hat die Frau ihn nicht "rausgeboxt" aus der Situation, aber sie hat „gut gewirkt“! Auch mit Bullen macht eine solche Reaktion in seltenen Fällen etwas, das sollte uns bewusst sein. Wenn wir unsere Empfindungen, unsere Wut nicht mehr zeigen, geben wir ein Teil unseres Kampfes auf. Und immer nur geduckt durch das Leben zu gehen, in der Hoffnung, dass uns dann nichts passiert, das ist auch ungesund für die (Körper)Haltung. Gedankenstrich.

"Wir schaffen das" soll auch Mut machen. Was an diesem Song besonders ist, ist, dass eine Situation beschrieben wird, in dem sich yemand "erfolgreich" wehrt und erst mit Verspätung nach dieser Aktion eine Art Zusammenbruch erlebt. Das kennen viele genauso und dass es hier genauso beschrieben und verarbeitet wird, ist ehrlich und glaubwürdig ohne Ende. Sehr schick auch die Spielerei mit den Genderendungen in dem Song, ausgesprochen kopföffnend, vor allem wahrscheinlich für Leute, die sich noch nicht so viel damit beschäftigt haben. Dass dann im nächsten Song sogar etwas auftaucht, was Konny und ich zusammen erlebt haben, bzw. gern erlebt hätten, macht dem Autor dieser Zeilen Freude. Wieder so ein kleiner frecher Song darüber, wie Ausbruch gehen könnte (remember immer Herr Vernünftig!). Schließlich folgt "Schenk das Glas noch einmal ein" und eröffnet ein bisschen den Reigen der "traditionals". Dieses Lied habe ich Anfang der Achtziger" zum ersten Mal von einer Combo gehört, die sich ZAPPERLOTTI" nannte. Später habe ich den Song textlich etwas bearbeitet und selbst gesungen. Nun hat Konny seine eigene Version davon gemacht und ich freue mich, dass Zeilen wie "...auf unser Leben heb' das Glas, auf unsere Liebe und den Spaß, der einem oft genug vergeht, weil hier der Wind so eisig weht" nicht in Vergessenheit geraten sind. Eine sehr schöne Version, die Konny hier präsentiert. Dann wird noch mehr Melancholie nachgelegt, eine harte, berührende und sehr persönliche Geschichte, die mich schlucken lässt und den eben genannten „Reigen“ unterbricht. Diese Stücke sind es, die etwas erzählen über die Zweifel, Kämpfe und Nöte, die yeden Tag ganz „privat“ durchgefochten werden müssen und oft nicht gewonnen werden können. Danach kommt das rotzige und hier völlig überkandidelte "the future is unwritten", was ich auch als ganz persönlichen Gruß verstehe. Danke! Dann noch ein Cover, aber auch hier wurde textlich verändert. Heißt es im Original noch "...wir werden tanzen auf den Straßen, dass uns warm wird...". wird nun bewußt gesungen "...wir werden kämpfen auf den Straßen, dass uns warm wird..." Auch da gehe ich gerne mit. Dieses "Frühlingslied" ist entstanden Ende der 1970er Yahre, als die RAF gegen den Staat tobte und dann die Repression flächendeckend gegen die Linke zuschlug. Das ist der ursprüngliche Kontext. Ich mag es, wenn die Dinge wieder auftauchen. Es ist auch ein Song der RAK (rotzfreche Asphalt-Kultur), die seit ein paar Yahren wieder mit neuem Schwung unterwegs ist, um politische Kultur nach außen zu tragen und sich intern auszutauschen. Konny ist auch da ein Teil von. Die CD endet hier fast. Es kommen noch 3 kleine Schnipsel: Zuerst ein Eindruck, was manchmal los ist auf Konnys Konzerten, wenn nämlich die Leute seine Songs mitsingen, danach das krasse Gegenteil, nämlich plötzlich scheint dir niemand mehr zuzuhören und dann noch was ganz Verrücktes, was sehr lustig-mystisches...schwer zu beschreiben, aber crazy.

Ich finde die CD großartig. Ich entdecke fast keine Sachen, die ich komisch, schlecht oder banal finde. Alles macht Sinn und reiht sich bestens ineinander. Auch die musikalischen Bereicherungen von Lui, Merle, Momo, Anke, Alex tun dem Ganzen gut. Seine eigenen abwechslungsreichen Möglichkeiten an Gitarre und Quetsche hat er bestens eingesetzt. Wer die letzte CD von Konny mochte, wird diese hier lieben. Und natürlich fühle ich mich nicht zuletzt erinnert, an meine eigenen Aufnahmen aus der Quetschenpaua-Zeit. Es hatte ein ganz ähnliches Flair teilweise, weil live Dinge passieren, die du im Studio niemals hinbekommst. Sowas sind auch immer gute Dokumente aus einer Zeit, die die unsere war. Nicht alles lässt sich im Gespräch weitererzählen, manches musst du dir einfach mal auf CD in Form von Liedern anhören, um zu verstehen, was eigentlich los war.

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