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FRÜCHTE DES ZORNS - unter unserer haut

Mai 2010 und die neue CD von FDZ ist draussen. Das ganze Album erscheint diesmal auch als Vinyl-Doppelalbum.

Fangen wir mal außen an: Wie gewohnt ein „Pappschober“ über der schnöden Plastik-jewel-Box und dieser sieht schon mal großartig aus. Absolut ansprechend, rot auf grün, wobei das rot eingestanzt ist und blitzt, wenn du die CD in unterschiedlichen Winkeln ins Licht hälst. Beim Auspacken erscheint dann ein zwanzigseitiges booklet, farbig und mit allen Texten, einigen Fotos und mit ein paar Kommentaren zu den Songs. Zu meinem Erstaunen wird hier beispielsweise auch Karl Marx zitiert. Das Außen-layout zieht sich auch hier konsequent durchs Innere, kryptische Abbildungen von sprühenden Funken, die aber auch Disteln oder Stacheldraht sein könnten. Diese Symbolik passt hervorragend zu den meisten Songs: Gefühl gepaart mit inneren und äußeren Widerständen.

Gleich mit dem ersten Song wird ein großes „WIR“ eröffnet. „Wir sind alle gut und schlecht“ heisst es da. Das ist banal und macht dennoch deutlich, aus welcher Position hier formuliert wird. Es ist schlichtweg die Feststellung, daß die realen Zustände nicht nur ein paar radikalen Linken schwer zu schaffen machen, sondern auch ziemlich vielen anderen „ganz normalen“ Menschen. Dennoch verschwindet die altbekannte „IHR-WIR-Nummer“ nicht gänzlich. Der Trick ist dann, daß 2x mit einem „man“ statt einem „wir“ gearbeitet wird („…deshalb zeigt man hier auch gerne, was man früher einmal war…“ und „…das, was man hier normal nennt…“) Das ist gewissermaßen inkonsequent, zeigt aber auch auf einfache Weise, daß es dieses große „WIR“ eben so auch nicht gibt. Der Song schließt dann hinten mit der Wiederholung des Satzes „…und aus Menschen werden Menschen“, vermutlich Hoffnung und Wunsch zugleich. Auf meiner letzten CD hiess es noch „Menschen machen Menschen machen Menschen kaputt…“, da steckt etwas ähnliches drin, aber ich bin vermutlich ein wenig pessimistischer im Blick nach vorn.

Im zweiten Song hören wir erstmalig ein „Glockenspiel“….und nun wird das „IHR und WIR-Fass“ dann doch etwas weiter aufgemacht, denn „euer Erwachsensein bedeutet Einsamkeit und Moral“ beispielsweise und „ich will nicht erwachsen werden“…Interssanterweise fängt es aber auch hier an, sich zu vermischen….“wir gehen abends mit den Kollegen aus, Langeweile, ein Auto und ein Einfamilienhaus…“ Es ertönt eine wundervolle Posaune, die Zeit einräumt, das Gehörte kurz zu sortieren. Und dann kommt schon die Anbahnung für das eigentliche statement. Die Musik wird dynamischer, die Gesangsstimmen werden mehr und es mündet in „ich will ein gutes wildes Leben…“ Ein schöner Satz…klar, wer will das nicht…

Dann kommt „Was ist eigentlich Liebe“, ein Lied, das viele Fragen stellt, die sich mit dem Anfang und dem Ende von Beziehungen beschäftigen. Bestimmt ein sehr persönlicher Song, aber für für mich auch einer, der mich gerade nirgends abholt. Anders geht es mir da schon mit Track Nummer 4. Eine melancholische Geige, die vor einem geklatschten Rhythmus daherkommt und eine tiefe Stimmung schafft. Und der Text hält, was die Musik verspricht. Fast yeder Satz ein Treffer. „Wenn die ganze Welt krank ist, wie bleibst du da gesund?!“ Ein brilliantes Stück, was die eigene Kaputtheit, das eigene „verloren sein“ in einen Zusammenhang stellt, der vermutlich sehr hilfreich ist, damit Menschen weniger an sich selbst zweifeln, sondern mehr an den Strukturen, die sie umgeben. Und genau dort verortet sich auch das Gefühl und der Wille zum Widerstand.

Im Titeltrack „unter unserer Haut“ erklären Früchte des Zorns, wie sie das verstanden wissen möchten, was sie machen. „Träume finden Zuflucht unter unserer Haut und sie halten uns am Leben“. Früchte des Zorns wollen die Welt mit ihrer „Kunst“ nicht „dekorieren“, sondern sie wollen sie verändern. Ein erster Aufruf bahnt sich hier denn auch seinen Weg:“…forme aus deinen klatschenden Händen eine wütend geballte Faust…“ Am Besten gefällt mir hier die Passage, wo es darum geht, daß wir nicht tanzen, um „sexy“ zu sein, sondern wir tanzen, weil wir uns fühlen wollen…Für mich ein klarer Appell, sich nie wieder lustig zu machen über Leute, die „besonders“ tanzen. Individualität ist grundsätzlich NICHT peinlich!.

„Unsa Haus“ verhandelt den Kampf um Freiräume, der immer wieder neu geführt werden muß und werden wird. Ein guter Song, der schon etwas älter ist und zu dem es ein prima Video gibt, welches auf youtube schon über 30000 mal geklickt wurde.

„Lebend heraus“ läuft mir dann wieder nicht so gut rein. Alles was hier beschrieben wird, empfinde ich als unpräzise und ungenau. Und der Refrain („wir wollen aus dieser Welt noch lebend heraus, wir werden nicht geduldig warten, dass wir sterben“) klingt erstmal gut und schlüssig, aber ich würde antworten, daß ich yeden Tag neu in diese Welt LEBEND HINEIN will. Das ist dann der Aufruf an mich selbst, yeden verdammten Tag, die Auseinandersetzungen neu führen zu wollen. Ich weiß nicht wo das „RAUS“ sein soll.

Am Schönsten finde ich in dem Stück den Mittelteil mit der gezupften Geige und dem gut gespielten Becken.

ID 8 ist dann ein trauriges Stück, welches die freundschaftliche Verbindung zu einem nahen Menschen beschreibt und daß diese endet. Es mag fast ein Yahr her sein, daß Mogli es mir mal vorgespielt hat und mir die Geschichte dazu erzählte. So ist es für mich ein Stück geworden, zu dem ich auch einen sehr persönlichen Draht entwickelt habe. Da kann ich entsprechend viel mit anfangen. Der Song ist auch Teil einer gemeinsam erlebten Geschichte und eine Würdigung dessen, wie schwer es manchmal miteinander auszuhalten ist und wie es doch eine Weile gehen kann…Bei mir hiess dieses Kapitel in der Vergangenheit mal „die elfte Folge“.

Und dann findet die abgedämpfte Gitarre mit der gezupften Geige und einem spannenden Schlagzeug den Weg durch die Lautsprecherkabel zu den Boxen. Hier kommt yetzt ganz großes Gefühlskino und der Titel heisst ya auch „Sehnsucht nach den großen Gefühlen“.

Ein wirklich sehr kompaktes und gut arrangiertes Stück mit einem treffsicheren Text, der mich an schlechten Tagen auch mal an der Tränendrüse erwischen kann. „Unsere Tiefe macht uns Angst….für das Gute daran sind wir manchmal blind…“ wird gesungen, dreistimmig,…und schön und vehement. Das ist schon so gut, daß es fast kitschig rüberkommt. Hier wird eine der großen Stärken von FDZ sehr deutlich, nämlich den Leuten aus der Seele zu singen, ohne banal zu werden. Die Banalität liegt natürlich auch immer im Auge der Betrachterin, aber diese Tiefe, die verhandelt wird, kennen dann ya doch die meisten. Genau das macht das Gefühl, sich verstanden zu fühlen bei dieser Art von Musik. Daß sie das musikalich mittlerweile oft vom Feinsten ausstaffieren, macht es so zielgenau. Aber trotzdem: Der Grad, auf dem sie da wandern, ist ein scchmaler, denn „Sehnsucht nach den großen Gefühlen“ könnte auch gut der Titel einer RTL-Serie sein und die beschriebenen Emotionen könnten so formuliert einen hohen Marktwert erzielen. Will heißen, daß es merkwürdig werden könnte, wenn solche Songs mal irgendwann aus dem sozialen und politischen Kontext gerissen werden. Da muß dann gar nicht der fiese Marketingstratege mit einem Konzept auftauchen, manchmal reicht schon ein zu großer Bekanntheitsgrad, um die eigenen Selbstverständlichkeiten zu entfremden. Die Fangeemeinde von FDZ scheint stetig zu wachsen und ich bin gespannt, wo die Reise auch diesbezzüglich hingehen wird.

Aber gut, da kommen noch zwei Songs, die den Abschluß der CD bilden und auf die ich auch noch eingehen möchte. Es ist mit Sicherheit kein Zufall, daß diese Gänsehautkracher das Ende der CD bilden. Diese tiefen Sehnsüchte, die hier beschrieben und gesendet werden, gehen einfach nur nah. Das ist textlich, musikalisch und von der Dynamik her einfach nur stimmig und zutiefst berührend. Sehr schwer, da ohne Tränen durch zu kommen für mich und ich bin noch dabei herauszufinden, wie ich das finden soll. Wir verändern die Welt ya schließlich nicht dadurch, daß wir sie in Tränen und Traurigkeit ertränken. Ich mag die Melancholie und die Intensivität, die sich bei FDZ so oft nach Innen und nicht nach Aussen richtet. Das ist gut und leistet einen immens wichtigen Beitrag innerhalb der radikalen Linken, in der sie sich verorten, aber was mir fehlt ist hier und da eine weitere Komponente, ohne die es für mich auch nicht geht: Das Gefühl der Wut. Wie sang vor vielen vielen Yahren schon ein altes Punk-Urgestein?! Angst macht keinen Lärm!!! hier der text dazu Das Bild der klatschenden Hände, die sich zur Faust ballen, sollten wir versuchen, einzulösen. Kein ruhiges Hinterland tief in uns drinnen, aber auch nicht hier draußen!

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