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DÜNNSCHISS

Ich habe Dünnschiss, solang' ich denken kann und ich denk daran seit 3 Tagen. Ich habe Dünnschiss, kein dickes Stück dabei, ich hab die Scheißerei, yeah, ich kann dir sagen. Mein Schießmuskel hat keine paua mehr, wird immer flauer, yeahyeahyeah, und das ist so übel! Ich überbrücke diese Strecke zu der Toilette mit einem Kübel. Doch dieser Kübel ist schon bis oben voll und das ist nicht so toll, nee, das ist 'ne Qual! Ich muß ihn leeren und da fackel' ich nicht lang, das Schicki-Restaurant um die Ecke hier wäre dafür doch ideal! Scheisse rein und Türe zü, der Yuppie kotzt auf das Menue! Und das riecht auch nicht gerade fein, die Damen und die Herren schrei'n. Nur einem macht das gar nix aus, ein Pudel leckt die Kotze auf und während er noch daran lutscht, ist yemand darauf ausgerutscht.Ein dicker Mann, so groß und satt und unter ihm der Pudel: platt. Dem Pudel bricht es das Genick

und niemand hat den überblick... Im Schick-Restaurant ist endlich mal was los, Fäkalien auf den Abendkleidern, doch die Stimmung ist famos und ein Bekennerinnenschreiben hängt draußen an der Tür: "Ihr seid zu schick und zu teuer, für dieses Viertel hier!" Drum Mensch begehre auf, wenn dir mal irgendwas nicht passt, und warte nicht erst ab, dass du mal endlich Dünnschiss hast!


Den Song habe ich 1992 geschrieben, denn der "Kübel" als politische Aktionsform tauchte in ähnlichen Zusammenhängen immer mal wieder auf. Als historischen background des Ursprungs habe ich mal einen taz-Artikel von 1987 angehängt. Ich bitte darum, wie immer auch zwischen den Zeilen zu lesen...


TAZ vom 29.08.1987

Aus Berlin Brigitte Fehrle



Klein-Palermo in Berlin-Kreuzberg

Gewerbetreibende in Berlin Kreuzberg werden mit Schutzgeldern erpreßt / Überfall auf Restaurant: Drei Eimer Scheiße verschüttet / Schicki-Mickies" sollen raus aus dem Kiez / "Kiezstrukturen" würden zerstört

Nachdem am letzten Sonntag in das Nobel-Restaurant "Maxwell" im tiefsten Kreuzberg drei Eimer Scheiße geschüttet wurden, wurde zum ersten Mal offen sichtlich, was unter der Hand schon seit etwa zwei Jahren bekannt ist: daß nämlich Gewerbetreibende in und um die Oranienstraße und den Heinrichplatz sogenannte "Schutzgelder" zahlen, die sie vor Überfällen und Plün derung bewahren. Das "Maxwell", ein teures Eßlokal - weiße Wände, weiße Tischdecken und Ober mit langen, weißen Schürzen - , seit etwa eineinhalb Jahren in SO 36 angesiedelt, war schon einmal Zielscheibe eines Angriffs. Damals wurde das Lokal demoliert, Tische wurden umgeworfen und die Schaufensterscheiben eingeschmissen. Vom Wirt wurde verlangt, Geld in eine "Knastkasse" zu zahlen. Er stünde als erster auf einer "Liste" von Läden, die man in Kreuzberg nicht haben wolle, hieß es damals. Die Begründung für die neuerlichen Strafaktionen wurde mit den drei Eimern stinkender Fäkalien am Sonntag mitgeliefert. "Wo faschistischem Bullenterror Grenzen gesetzt werden, erhalten IBA, Stattbau, STERN (Altbau- IBA, d.Red.), eine Chance...",hieß es in einem Flublatt. Der "Kampf" richtet sich angeblich gegen die Besserverdienenden, die sogenannte "BAT 2a Schickeria", die im Zuge der Sanierungspolitik in den letzten Jahren begonnen hat, Kreuzberg zu bevölkern. Auf der Liste sollen auch ein Fahrradladen, der auch Räder über 1.000 Mark anbietet, eine Galerie und ein Laden, der Seidenstoffe verkauft, stehen. Das Drohflugblatt bekam aber auch ein seit 15 Jahren in der Oranienstraße ansässiger Trödelladen. Die immer wiederkehrende Begründung lautet, daß diese Läden zu teuer seien und nicht in den Kiez paßten. Sie würden "Kiezstrukturen zerstören, indem sie bürgerliche Normen, abgefahrenes Künstlertum und Ohnmacht etablieren", heißt es in dem Flugblatt. Fortsetzung auf Seite 2 Wer die Gewerbetreibenden da in Aufregung versetzt, ist unklar. Aus der Kreuzberger Autonomenszene ist lediglich zu hören, daß man die Läden zwar auch nicht haben wolle und die Anschläge richtig finde, aber nie geplant worden sei, "Schutzgelder" zu kassieren. Die drei, die die Scheiße ins "Maxwell" gekippt hätten, seien Einzeltäter. Eine spontane Straßenumfrage eines Reporters des Sender Freies Berlin in Kreuzberg brachte erstaunlich viel Sympathie für die Aktion zutage. "So ein Laden wie das Maxwell gehört nicht in unseren Kiez", war der Tenor vieler Stimmen. Hintergrund dieser Tolerierung ist der Unmut vieler Kreuzberger über die, sicherlich geplante, Politik des Senats und des Bezirks, Kreuzberg sozial zu "durchmischen". In der Tat sind mit der IBA und der Sanierungspolitik in bestimmten Straßenzügen und Plätzen Leute (wieder) nach SO 36 gekommen, die sich dort vorher nicht angesiedelt hätten. Architekten wohnen in ausgebauten Dachetagen, Lehrer und Stuienräte besitzten Eigentumswohungen. Die, und sicher auch die neugierigen Touristen, waren es, die sich ein Essen im "Maxwell" leisten konnten. Das Nobel-Restaurant hat inzwischen geschlossen. Der Wirt hat die Nase voll. Unter den übrigen Gewerbetreibenden herrscht Angst und Ratlosigkeit, wer wohl der nächste sein wird. Und Kreuzbergs alternativer Baustadtrat Orlowsky schlägt ein "Kiezpalaver" vor. Er hofft noch auf Toleranz und Kommunikationsbereitschaft.

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