Dieses Lied ist entstanden, auf der Suche nach einem neuen "Wir".
Um das Neue zu finden, ist es immer gut, das Alte noch mal zusammenzufassen, zum Festhalten einer Geschichte, die auch meine Geschichte ist. Es ist eine Geschichte, innerhalb einer radikalen Linken;
Eine Geschichte, die jeder und jede anders schreibe müsste, anders schreiben könnte oder auch würde. Denn wie oft, haben wir in unseren gemischten Zusammenhängen und Gruppen intern nur den Mist reproduziert, der uns als bürgerliches Leben so verhasst war?! Patriachales Verhalten, Hierachien, Männerdominanz, Mackerscheisse. Und wie oft, haben wir es bei Seite gewischt, um uns den aktuell drängenden politischen Themen mit all unserer Energie zuzuwenden? Sexismus und Machtstrukturen: In einigen unsere Männerköpfe, zwar theoretisch ein Hauptwiderspruch, in der Praxis und Realität oft weniger als ein Nebenwiderspruch.
Manche Schlacht geschlagen, manchen Traum gehabt
und ab diesem Punkt hier und heute, weiter nach vorne schauen.
Sich nicht klein kriegen lassen, von der so genannten Normalität
und besser nicht solange warten, bis hier gar nichts mehr geht.
Da war Brokdorf, ein kleiner Ort in Schleswig-Holstein an der Elbe.
Ein Akw sollte gebaut werden, es war Ende der 70er Jahre.
Es war meine erste Demonstration. Ich bestaunte die Leute, die probierten, den Bauzaun mit Seilen niederzureißen. Ich bewunderte ihre Entschlossenheit aus sicherer Entfernung. Da flog mir aus dem Nichts eine Tränengaskatusche direkt vor die Füße. Die Bullen fingen an, uns anzugreifen und auf die umliegenden Wiesen zu jagen, wo noch mehr Bullen standen, welche mit Hörnern. Mir tränten die Augen und ich hatte Schiss und Wut, aber ich ging in den nächsten Jahren immer wieder zu den Demos, sogar wilder und entschlossener als vorher. Die Bewegung wuchs zeitweilig auf 100.000 Menschen an, die sich mobilisieren ließen. Parallel wuchs der Bauzaun und der Polizeiapparat. Viele von uns prügelten zurück, wehrten sich und griffen den Bauplatz bzw. die Bullen, den BGS (Bundesgrenzschutz) an. So war es auch in Wackersdorf, in Kalkar und an anderen Orten, an denen es um atomare Aufrüstung ging und um die Nutzung von Atomenergie, zu militärischen Zwecken. Wir erzählten schließlich allen, die es nicht hören wollten, was von Wind- und Sonnenenergie und wurden oft reichlich dafür belächelt. Wenn ich heute 1000de von Windmühlen und Solardächer sehe, spüre ich manchmal noch die Schläge, die wir dafür einsteckten. 1986 passierte dann die Katastrophe von Tschernobyl, und ich rannte tagelang ohnmächtig und wütend durch die Straßen von Hamburg. Die einzige Konsequenz allerdings, die hier von Regierungsseite gezogen wurde, war die, dass uns in Zukunft noch mehr Bullen gegenüber stehen sollten. Sowie auch jetzt, bei den Anti-Castror-Protesten. Sie werden immer da sein und losprügeln, wenn es ihnen gesagt wird.
Manche Schlacht geschlagen, manchen Traum gehabt
und ab diesem Punkt hier und heute, weiter nach vorne schauen.
Sich nicht klein kriegen lassen, von der so genannten Normalität
und besser nicht solange warten, bis hier gar nichts mehr geht.
Zum Jahreswechsel 86/87, zog ich nach Berlin, las in der taz eine Anzeige einer Volkszählungsboykott-Initative, besuchte ein Treffen und machte mit, gegen den gläsernen Menschen, Staatsschnüffelei und Totalüberwachung. Am 1. Mai 87, entwickelte sich aus einem Kiezfest, eine soziale Revolte, die so heftig war, dass Kreuzberg über mehrere Stunden frei von Polizei war. Supermärkte wurden aufgemacht und geplündert. Bolle (damals Supermarktkette) brannte aus. Ein bunter Querschnitt der Kreuzberger Bevölkerung war beteiligt. Die Zerstörungswut- und lust war grenzenlos und das Gefühl eine Mischung aus kurzzeitiger Befreiung, Hass und Freude. Politische Einordnung: Unmöglich! Wohlwollend ein Versuch, die bestehende Ordnung aus dem Ruder laufen zulassen. Auch die Volkszählung wurde massenhaft verhindert. Wir tapezierten mit den leeren Bögen die Berliner Mauer über eine lange Strecke flächendeckend. Die Bullen mussten zugucken, weil sie diese neutrale Zone nicht betreten durften. Als die Volkszählung mehr oder weniger holprig gelaufen war, beschlossen wir ein Haus zu besetzen. Wir taten das aber zunächst mit mäßigem Erfolg. Und wir fuhren natürlich auch zu den großen Hafenstraßendemos in Hamburg. Solidarisch, über Stadtgrenzen hinaus, das war keine Frage. Dabei sein, mit 1000den anderen, behelmt, vermummt und zum Teil bewaffnet mit Knüppeln, Steinen usw. und das Phänomen, diese kollektive Entschlossenheit nach außen hin deutlich sichtbar machen zu können, sogar ohne dass es zu Randale oder Prügelorgien mit den Bullen kommen musste, wenn wir es nicht wollten. Unsere sichtbare Militanz, war politischer Faktor. Dass die Bullen und Regierenden davor einen gewissen Respekt hatten, war Genugtuung am Rande. In Berlin machten wir Stimmung gegen Spekulanten und alle, die mit Wohnraum irgendwie Geld machten. Autonome Stadtteilpolitik nannten wir das. Zwangsräumungen thematisieren, mit Farbeiern Spekulanten markieren oder eben ihre Villen. Ihnen mit vielen Leuten auf die Pelle rücken, im Grunewald (Villenviertel in Berlin). Autonome Gruppen, das sind wir. Am Tage bei bestem Wetter und logisch in der Nacht meinetwegen bei Nacht und Nebel. Politik und Alltag, das is eins, oder sollte so zumindest sein. Wir lebten einigermaßen wild und gefährlich und so wollten wir das auch. In seltenen Fällen verhinderten wir Zwangsräumungen und für unser Haus bekamen wir tatsächlich Verträge.
Manche Schlacht geschlagen, manchen Traum gehabt
und ab diesem Punkt hier und heute, weiter nach vorne schauen.
Sich nicht klein kriegen lassen, von der so genannten Normalität
und besser nicht solange warten, bis hier gar nichts mehr geht.
1989 änderte sich plötzlich einiges.
Die Mauer fiel und Kohl ließ sich dafür feiern. Die meisten von uns reagierten überrascht oder überhaupt nicht. "Begrüßungsgeld ist nicht genug, knackt die Banken, das ist gut!", war die Hauptparole einer autonomen Demo, die kurz nach Maueröffnung stattfand. In meinem Autofenster brachte ich einen Zettel an, auf dem stand sinngemäß, dass volle Kaufhausregale bitte nicht mit dem Begriff der Freiheit zu verwechseln seien, und darunter stand noch "viva anarchia". Aber die Stimmung war gegen uns und sie wurde zunehmend nationalistischer mit einer Heftigkeit, mit der so kaum jemand rechnete. Im Westen wie im Osten kamen hässliche deutsche Fratzen zum Vorschein und sie waren selbstbewusst und offensiv. Das bekamen vor allem Nicht-Deutsche, Flüchtlinge, Migrant_innen ab, aber natürlich auch Linke aller coleur, die wir uns dagegen wandten. Die Zeit der massiven rassistischen Übergriffe begann. Nazis besetzten sogar ein Haus in der Weitlingstraße , hier in Berlin. Pogrome in Rostock - Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln, Solingen, waren Anfang 90er Jahre auf die Spitze eines dummdeutschen Eisberges, der zu einem Eisgebirge zu wachsen schien. Es Gab viele Initiativen dagegen. Angriffe auf Nazis, das Organisieren von Schutz vor Flüchtlingshäusern, Demos, Unterstützungsaktionen für kleine Antifagruppen in Städten wie Schwedt, Wurzen. Linke Konzerte in rechten Gegenden und und und. Und es hat so scheiße wenig geholfen und es sind so viele verletzt und umgebracht worden. Menschen, um die hier kaum getrauert wurde. Im Gegenteil, die Asylgesetzgebung wurde verschärft, das Recht auf Asyl wurde faktisch abgeschafft.
Manche Schlacht geschlagen, manchen Traum gehabt und ab diesem Punkt hier und heute, weiter nach vorne schauen. Sich nicht klein kriegen lassen, von der so genannten Normalität und besser nicht solange warten, bis hier gar nichts mehr geht.
Die 90er und die radikalen Linke als Auslaufmodell. Die RAF erklärt ihr Ende, Teile der Revolutionären Zellen ebenfalls. Autonome müssen das so nicht tun und tun das auch kaum. Dennoch ist zu spüren, das sich mehr und mehr Ratlosigkeit breit macht und hier und da sind Rückzüge ganzer Gruppen zu beobachten. Der 1. Mai ist fast der einzige Anlass, wo alles wie immer zu sein scheint. Aber der Schein trügt und viele wissen das auch. In den Medien taucht mehr und mehr der Begriff von "Rechtsautonomen" auf, womit freie Kameradschaften, also Nazis gemeint sind. Ministerpräsident Seite aus Mecklenburg Vorpommern ist einer der ersten, der diesen Begriff nutzt und prägt. Alles Extremisten, ob links, ob rechts, egal. Die Medien, die parlamentarische Politik haben es so am liebsten. Alles Extremisten, alles Chaoten, Randalierer, Autonome und..., keine Gewalt! Wir haben Mühe, dieser gezielten Entpolitisierung unsererseits etwas entgegenzusetzen. Anti-rassistische Gruppen puzzeln vor sich hin, Abwehrkämpfe nehmen zu. Fast nur noch wird reagiert. Nazi-Aufmärsche können Anfang der 90er oft noch verhindert werden, Ende der 90er sind wir schon froh, wenn wir zahlenmäßig nicht weniger sind als die Hackfressen. Besetzte Häuser von uns werden geräumt oder erhalten gnädigerweise schlechte Verträge. Der gesellschaftliche Mainstream geht gnadenlos nach rechts. Aufstände der Anständigen werden initiiert, Zivilcourage wird gefordert. Heuchelei ohne Ende, abgeschoben wird weiterhin auch in Kriegs- und Hungergebiete. Und der deutsche Bürger, die deutsche Bürgerin, entscheidet mittlerweile gerne zwischen guten und schlechten Ausländern. Auch außenpolitisch traut man sich wieder, bombardiert den Kosovo und verkauft nach wie vor Waffen in alle Welt. Auch bei einigen Linken zeigt die neue Propaganda "Bomben für die Menschenrechte" Wirkung. Eine Fülle von "Ja aber"-Statements sind die Folge. Der Protest gegen das wochenlange angriffskriegerische Treiben ohne Uno-Mandat bleibt klein und in jedem Fall folgenlos. Darauf lässt sich dann auch aufbauen 2 1/2 Jahre später in Afghanistan. Die ersten, die mir hier auf der Straße gegen den Krieg begegnen, sind Nazis. Tja, da stehst du dann relativ alleine mit deinem schwarzen Kapuzenpullover und deiner vermeindlich aufrechten Moral und von allen Seiten kommt dir die Scheiße entgegen.
Manche Schlacht geschlagen, aber kein Traum ist gestorben.
Und ab diesem Punkt hier und heute, weiter nach vorne schauen.
Sich nicht klein kriegen lassen, von der so genannten Normalität
und besser nicht solange warten, bis hier gar nichts mehr geht.
Jahrtausendwechsel. Eine neue Protestwelle fängt an, sich zu formieren. Anti-Globalisierungskampagnen entstehen. Ich erinnere mich zurück an 1988, an die Mobiliserung gegen den IWF, der in Berlin tagte. Das war eine der letzten großen autonomen Demonstrationen zu so einem Anlass. Heute aber, ein Jahrzehnt später, entsteht eine neue Form des in Stocken geratenden alten Internationalismus. Zigtausende, die weit reisen, nach Göteborg, Prag, Genua um zu demonstrieren, um eine längst überfällige Wende gegen den bestehenden Neoliberalismus herbeizuführen. Unglaublich viele Menschen treffen sich, die dann mit polizeilichen und zeitweilig militärischen Mitteln zurückgedrängt werden, werden sollen. Auch Schüsse fallen. Aber auch diese neue Bewegung lässt sich weder verbieten, noch mit extrem gewalttätigen Mitteln vom Tisch wischen. Eine gerechtere Verteilung auf diesem Planeten, das ist ein Anliegen, für das weiter gekämpft werden wird und werden muss. Und ich erwarte nichts aus den politischen Reihen der führenden Industriestaaten, die logischerweise ganz andere Interessen haben, als das Wohlergehen von Menschen weltweit. Sie behaupten zwar meist etwas anderes, aber wer genau hinschaut, kann sehen, dass sie meist das Gegenteil von dem tun, was sie sagen. Es gibt keine gerechtere Welt im Kapitalismus. Es gibt keine gerechtere Welt, mit der Logik von Nationalstaaten, auch nicht in der Logik eines geeinten Europas. Es gibt keine gerechtere Welt, mit intervenierenden Armeen und der extrem gewalttätigen Führungsrolle der USA. Es gibt keine gerechtere Welt, mit dogmatischen, fundamentalistischen und aggressiven Religionen. Das "Wir" such' ich mir ständig neu und es verändert sich. "Bewegung, das ist auch eine Sache von Charakter und Gefühl" hat neulich mal wer zu mir gesagt und Recht hat er. Ein globales politisches Kollektiv mit der Dynamik, Power und Ausstrahlungskraft einer alten Dampflok, die zwar nicht schnell fährt, aber ohne Frage vorankommt, Meter für Meter, Traum für Traum. Und wir müssen lauter sein als Bomben und trotzdem sensibel genug, um den Marienkäfer vom Baum fallen zu hören. Bevor der Pathos jedoch am Ende dieses Stückes zu mächtig wird und mich meine, ach so schlaue Moral wieder blöde von der Seite angrinst, bevor mein Zeigefinger sich beschwert, das er lange genug in 2 Meter Höhe herumgetänzelt ist und bevor sich mein vielleicht manchmal naives Gemüt nach etwas mehr Realitätssinn sehnt, beende ich diesen Track ohne Parole, aber sicher nicht ohne Hoffnung.
Manche Schlacht geschlagen, und kein Traum ist gestorben.
und ab diesem Punkt hier und heute, weiter nach vorne schauen.
Sich nicht klein kriegen lassen, von der so genannten Normalität
und besser nicht solange warten, bis hier gar nichts mehr geht.
Manche Schlacht geschlagen, und kein Traum ist gestorben.
und ab diesem Punkt hier und heute, weiter nach vorne schauen.
Sich nicht klein kriegen lassen, von der so genannten Normalität
und besser nicht solange warten, bis hier gar nichts mehr geht.
Vieles fehlt, das Allermeiste sogar, macht nix.
(new yok 2002)