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BRETT PIT – ZUSTÄNDE SIND DAS

Eigentlich war und ist Pit für mich immer ein Mann um die Mitte 20 gewesen, der hier und da mit seiner Gitarre am Rande von Revolte Springen oder der RAK (Rotzfreche Asphaltkultur) aufkreuzt, ein bis zwei überraschende Songs mitbringt, die er in der Regel NICHT von vorne bis hinten fehlerfrei durchspielen kann. Nun hat Pit am 29.6. 2006 seine erste (und bisher einzige) CD mit einem Konzert im Dresdener Proyekttheater vorgestellt. Ich war gespannt. Punktgenau hatte er alles geplant (!) und kam 2 Stunden vorm Auftritt mit den Einlegern und den Inlaycards aus dem Copyshop in seine Wohnung geschlappt und wir bastelten zu viert die Tonträger (die er natürlich auch erst am gleichen Tag per UPS geliefert bekam) amtlich zusammen. Zum Üben der Musikstücke sei er leider auch nicht mehr wirklich gekommen, aber das wird schon werden. Scheiß auf künstlerische Glattheit, wir sind ya nicht umsonst (bei) "ab-dafür-records" !!

Um 20 Uhr 30 ging es los und ich musste erstmal feststellen, dass da neben der Gitarre ein Klavier auf der Bühne steht und dass Pit mittlerweile auch Mitte 30 ist. Eigentlich weiß ich das, denn wir sind befreundet seit wir uns 1989 kurz nach Mauerfall in der damals noch besetzten Marchstraße in Berlin kennenlernten, aber so ist das mit den Bildern im eigenen Kopf, die bleiben und entstehen, wenn die Menschen keinen gemeinsamen Alltag pflegen, weil sie eben in verschiedenen Städten wohnen. Pit beginnt das Konzert mit "Tischlerbeige" und den Worten, dass wir doch als erstes mal wissen sollten, mit wem wir es zu tun haben. Pit ist im richtigen Leben Tischler und der Song beschreibt eindrucks- und etwas humorvoll diesen Arbeitsalltag, diese Arbeitsroutine, in der er sich fast täglich bewegt. Ein ruhig gespieltes Klavier, eine erzählerisch singende Stimme, die mich sofort in ihren Bann zieht. Authentizität ist das Stichwort...der Handwerker macht Musik. Sein eigentliches Métier sind yedoch "gebrochene Liebeslieder" und davon hat er viele. Und genauso gebrochen, wie die meisten dieser Songs daher kommen, ist auch die Präsentation. Pit spielt sie alle mit Haut und Haaren, mit Herz und Bauch, legt manchmal mitten im Lied kurze Orientierungspausen ein, um die Hände wieder auf den richtigen Akkord zu legen oder wahlweise, um kurz zu spicken, wie der Text an einer bestimmten Stelle weitergeht. Manchmal kommentiert er das, aber oft ist der Eindruck der, dass das genau so dazugehört. Und das Erstaunliche ist, dass das nie peinlich wirkt und gleichzeitig ist es NICHT die Attitüde, dass da ein Anfänger am Werk ist, dem mensch das wohlwollend verzeiht. Nein, Pit weiß, wovon er redet und singt, er hat das alles so erlebt. Und das Tolle daran ist, dass die Lieder eine Sprache sprechen, die auch beim Publikum oft mitten im Herzen landen. "Pack das NICHTS in eine Kiste und schmeiß sie weg" (aus "LIEBESTRUNKEN"). Da ist viel von verlorener Liebe, von Trennung, von den Zweifeln und von yeder Menge Sehnsucht die Rede. Und Pit schafft es, den Blick, den er ausgiebig in sich hinein gerichtet hat, so nach außen zu kehren und zu beschreiben, dass ich an vielen Punkten zutiefst berührt und mit eigenen Erlebnissen konfrontiert bin. Da ist einerseits Melancholie, die entsteht, aber andererseits zwinkert Pit sich dabei auch immer wieder selbst zu und schafft es so, dass die Stimmung nicht gänzlich ins Traurige abgleitet. Nee, er kann über sich selbst und seine Unzulänglichkeiten auch schmunzeln und weil er es auf der Bühne auch tatsächlich tut, schmunzeln und lachen die Leute mit. Und dennoch gehen die Stücke manchmal richtig tief: "...ya, ich hab schon so einige, so einige Lieder geschrieben, aber keins ist so wie du, du bist mir in meinem Herzen, in meinem Herzen liegengeblieben und manchmal leg' ich mich einfach dazu...." ( aus "GELEGENHEITSDIEBE"). Dass Pit während seines Auftritts dann 2 Stücke ("KEIN LIEBESLIED" und "ALTE LIEBE") beginnt und sie nicht fortsetzen kann, weil er vergessen hat, wie er sie mal zusammengesetzt hat, mag dann den einen oder die andere auch rauswerfen aus der intensiven Stimmung, erscheint mir aber fast konsequent und stört mich wenig. Der Auftritt ging zu Ende mit sehr viel Applaus der etwa 50 anwesenden Leute und endete für uns spät nachts im nahegelegenen "Reiter" bei erschöpfter Stimmung und einigen Bieren. Zum Einschlafen haben wir dann die CD, von der ich mir eigentlich keine Steigerung des Erlebten und Gehörten mehr versprochen habe, nochmal in den CD-Player geschmissen und ich musste feststellen, dass die Intensität der Stücke hier nochmal richtig ausgefeilt wurde und klanglich, musikalisch und stimmlich fast noch mehr Brillanz entwickelt als live. Ein absolutes Glanzlicht ist hier auch der Song "REGENTROPFEN", bei dem er einem Regentropfen eine erlebte Geschichte andichtet (nämlich die Sehnsucht nach einem Schaufelraddampfer) und somit Leben einhaucht. Bei alledem hat sicher Frieder Zimmermann, der die Platte aufgenommen und produziert hat, auch große Anteile. Was soll ich sagen, ich bin beeindruckt. Die CD sei hiermit dringendst empfohlen für alle, die die beschriebenen Stimmungen kennen und zulassen können und wollen oder wie Pit es vielleicht formulieren würde: "... für alle die, die sich daraus was machen (wollen)...."

Yok 6.7.2006

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